Julian Zanker

"Das ist genau das, was mich glücklich macht"

Climb und Baseprojekt Wetterhorn, 02.10.14

 



Das Wetterhorn mit seinen 3692 m.ü.M. kann man schon im Auto kurz vor Grindelwald betrachten. Ein wunderschöner Berg mit verschiedenen Möglichkeiten hoch zu gelangen. Letztes Jahr bin ich mit einem Freund über den Südwest Grat hochgeklettert, schon mit der Idee im Kopf, dort bald einen Erstabsprung mit dem Wingsuit zu versuchen. Knapp 1.5 Jahre später, nach einem ganzen Sommer warten und gedulden wegen schlechten Wetters, scheint sich endlich ein Schönwetterfenster anzukündigen. Ich mache mich also auf die Suche nach einem Kletterpartner. Es sind ganze 10 Seillängen diesen Turm zu erklettern. Schwierigkeiten bis 7b. Es scheint mir die interessanteste Variante auf diesen Pfeiler zu gelangen. Es gibt auch einfachere Routen, aber mein Traum ist es dort hoch zu klettern und dann von oben einen Basejump zu versuchen. Nach stundenlangem herum telefonieren, finde ich endlich einen Kollegen, welcher mit mir kürzlich das erste Jahr zum Bergführer absolvierte. Michael Walter. Wow, ich kann es kaum glauben, jemanden gefunden zu haben, der motiviert ist, mich bei diesem Projekt zu unterstützen.
Zusammen mit Michael, meiner Freundin Karin und meinem Kollegen Bart, machen wir uns am Mittwoch der 1.10.14 auf den Weg zur Glecksteinhütte. Unsere Rucksäcke sind gefüllt mit schwerem Klettermaterial, Essen, Schirm und meinem Wingsuit. Oben angekommen, geniessen wir es, alleine auf der Hütte zu sein und kochen etwas Warmes mit unserem Kocher. Mit Bart berechne ich nochmals alles durch. Theoretisch ist es gut und sicher machbar. Stunden habe ich diesen Sommer für diesen Traum investiert und ich habe mich gut vorbereitet.
Am nächsten Morgen starten wir um 5.00 in der Früh Richtung Einstieg. Nach einem kleinen Gletscher, stehen wir auch schon zum Morgenerwachen am Wandfuss dieser scheinbar genialen Linie. Ich werde alles im Vorstieg klettern und starte kurz nach einer Pause in die erste Seillänge ein. Es ist saukalt! Wir spüren unsere Finger und Füsse schon nach ein paar Klettermetern nicht mehr. Egal, wir kommen einigermassen gut voran und je höher wir kommen, desto näher kommen wir den Sonnenstrahlen entgegen. Der Fels ist sehr brüchig und wir müssen konzentriert und sicher klettern. Langsam werde ich müde. Der Haulbag, gefüllt mit meinem Schirm und Wingsuit ist schwer und zehrt an meinen Kräften. Die Seillängen sind steil und lange. Eine sehr schöne Linie, nur könnte die Felsqualität besser sein! Nach knappen 6 Stunden klettern, kommen wir endlich auf dem Gipfel an. Die Temperatur ist nun sehr angenehm und wir gönnen uns eine kleine Drink- und Esspause. Wir sind glücklich, oben angekommen zu sein und Michael macht sich schon ein paar Gedanken um eine Soloabseilaktion in dieser überhängenden Wand, was nicht gerade einfach wird! Ich packe ein paar Steine und klettere ein paar Meter zum Exit hinunter. Die Aussicht ist unglaublich. Perfektes Wetter und ein wenig Aufwind für einen schnellen Start mit meinem Wingsuit habe ich auch noch. Ich werfe ein paar Steine und telefoniere mit Karin und Bart, welche noch auf der Hütte sind. Jetzt ist alles klar: Ich kann springen:-) Alles passt und ich kann es kaum glauben, endlich nach einer so langen Zeit hier zu stehen und das Geschenk zu bekommen, einen Erstabsprung zu wagen.
Wenige Minuten später, stehe ich wieder am Exit und erledige noch die letzten Sicherheitschecks, welche ich immer genau in der gleichen Reihenfolge mache. Ich muss es mir eingestehen. Ich bin ziemlich nervös und habe eine natürliche gute Angst in mir.
Nach ein paar tiefen Atemzügen, zähle ich von 3 abwärts, spreize meinen Wingsuit und springe los. Wooooow, was für ein Gefühl… Es ist immer wieder unglaublich so etwas Schönes erleben zu dürfen. Wenige Sekunden später fliege ich über die Glecksteinhütte und weiter nach Grindelwald. Nach 1.5 Minuten Flug, ziehe ich meinen Schirm und lande daraufhin sicher in einer Wiese. Uuf, ich bin happy. Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich bin so froh, dass Michael, Karin und Bart mir das ermöglicht haben. Ein riesen Geschenk, welches ich zu schätzen weiss. Denn sie haben einen längeren, anderen Abstieg vor sich im Gegenteil zu mir.
Ein unvergesslicher Tag geht zu Ende und wir geniessen den Abend noch zusammen. Das ist genau das, was mich glücklich macht. Man muss versuchen seine Träume zu erfüllen, auch wenn es nicht immer auf Anhieb klappt. Aber es lohnt sich definitiv. Egal wie hoch sie gesteckt sind oder was andere Leute dazu meinen!

 

Manche Träume bleiben Träume

Es braucht ab und zu mehr Mut zurückzukehren als zu springen



Der Badile ist mit seinen 3305 m.ü.M. und seiner 700 Meter langen Nordostwand ein eindrucksvoller und wunderschöner Granitklotz. Seit ich von meinen Projekten träume, war dieser Berg auf meiner Liste ganz oben. Und ich wusste, dass ich eines Tages dort hoch gehen möchte um einen Basejump im Wingsuit zu versuchen. Nach meinem letzten Kurs zum Bergführeraspiranten, war der richtige Moment gekommen, um mein Projekt zu starten. 
Am Sonntag, den 14.9.2014, starte ich um 5.30 in der früh und mache mich auf den Weg Richtung Nordkante. Endlich einmal gutes Wetter und nicht allzu kalt. Nach einem 1.5 stündigen Zustieg stehe ich plötzlich vor diesem riesigen angsteinflössenden Berg. Ich bin alleine unterwegs, nur 2 andere Seilschaften treffe ich an. Der Rucksack macht mir schon jetzt ein wenig zu schaffen. Um die 15 kg habe ich dabei, Wingsuit mit Schirm, Seil, Karabiner, Helm, Gurt, Essen und Trinken. Ich weiss dass die 700 Meter lange Nordkante nicht einfach werden wird. Ich fange an zu klettern, und schon nach wenigen Metern bin ich höchst angespannt. Es läuft gut und ich komme schnell vorwärts. Ab und zu mache ich eine kleine Pause an einem eingerichteten Stand. Aber ich brauche diese Sicherungspunkte ja gar nicht und fühle mich unbeschreiblich frei. Mit jedem Meter mehr versetze ich mich wie in einen Trancezustand. Alles ist kontrolliert und es fühlt sich grandios an, alleine an solch einem Berg zu sein und den Tag erwachen zu sehen. An einigen Stellen hat sich ein wenig Wassereis auf den Granitplatten gesammelt und ich muss mich voll konzentrieren, da es mit diesem Gewicht auf dem Rücken nicht einfacher wird. Die Kletterei ist einfach, aber doch nicht zu unterschätzen. Ausrutschen würde das Aus bedeuten. 
Nach 2.5 Stunden klettern komme ich auf dem Gipfel an und gönne mir kurz einen Riegel und einen Schluck aus meiner Flasche. Es ist ein wunderschöner Morgen und ich geniesse es dort oben. Schon alleine bis jetzt ist es eine unglaubliche Erfahrung. Ich raffe mich auf und gehe weiter Richtung Exitpoint. Meine Überlegungen dort hin zu gelangen lösen sich in Luft auf, da ich einen schönen grossen Granitklotz finde um den ich einen Stand fürs Abseilen befestigen kann. Mit ein paar Steinen im Rucksack seile ich ab und komme zum eigentlichen Absprungort. Schon der erste Blick sieht furchteinflössend aus. Nach ein paar Metern ragt diese Granitplatte ziemlich weit raus. 
Ich werfe den ersten Stein... Zu wenig lange fliegt er, bevor er in der Wand aufschlägt. Ich werfe einen 2., 3., 4., nach dem 10. Stein realisiere ich langsam, dass es einfach nicht lange genug steil ist. Langsam kommt mir der Gedanke an einen Abstieg zu Fuss und nicht mit meinem Wingsuit, mit dem ich in 2 Minuten zurück beim Auto wäre! Ich muss mir eingestehen, dass es einfach viel zu gefährlich ist und ich mir meinen Traum von einem Absprung aus dem Kopf schlagen muss. Es ist nicht einfach auf meinen Bauch zu hören, aber die Fakten sind klar und ich will nicht mehr Risiko eingehen. Ich will ja fliegen und frei sein, meinen Sprung geniessen und nichts erzwingen. Es geschehen zu viele Unfälle in den Bergen. Bei meinem Abstieg lass ich mir meinen Tag nochmals durch den Kopf gehen und bin trotz allem vollkommen zufrieden von meinem Freesolo Aufstieg auf den Badile. 
Manche Träume bleiben Träume, aber von diesen Erlebnissen kann ich viel lernen und mich weiterentwickeln. Ich hoffe dass auch andere auf ihr Bauchgefühl hören. Denn nichts auf der Welt ist es wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Jeder hat andere Grenzen und will andere Risiken eingehen und man muss für sich selber entscheiden wo seine Limiten sind und was man dafür riskieren möchte.

 

 
     Steckbrief:
 
Spitzname:   Jüli
Alter:   23 (12.11.1990)
Sport/Aktivitäten:   Klettern, Basejumping, Bergsteigen
Wohnort:   Lauterbrunnen, Bern
Größte Errungenschaften:  Zinalrothorn First Base, Flying Circus Mixedmehrseillänge Onsight, mehrere 8a Onsight und bis 8b+ Rotpunkt   
Letztes Projekt: Zinalrothorn
Lieblingsorte:  Die Berge










 

Julian Zanker in Action:


 
Julian Zanker über sich:
 
Aufgewachsen bin ich im schönen Engadin. Schon immer war ich sportbegeistert und vor allem die Berge haben mich fasziniert. Meine Mutter ging viel mit mir wandern. Dort in der freien Natur konnte ich den Bergdohlen und Adlern interessiert zuschauen und hatte auf diese Art sofort einen Bezug zum Fliegen. Sobald wir beim Wandern auf steileren, exponierten Pfaden unterwegs waren erzählte ich meiner Mutter, dass ich am liebsten meine Flügel ausbreiten und runter springen würde. Mit 13 Jahren nahm ich an einem Kletterkurs teil. Der erste Kontakt mit den Felsen war für mich eine wunderschöne Erfahrung. Seitdem ist das Klettern und Bergsteigen zu einem wichtigen Teil von mir geworden. Ich fühle mich dabei in allen Facetten des Bergsteigens wohl und finde immer wieder neue Herausforderungen. Mit 19 Jahren absolvierte ich dann meine langersehnte Lizenz zum Fallschirmspringen. Von Anfang an konzentrierte ich mich auf mein Ziel, einmal mit Basespringen anzufangen. Schritt für Schritt kam ich meinen Träumen näher und kann heute die Flügel meines Wingsuit ausbreiten und fliegen. Meine Passion Fliegen mit meiner anderen Leidenschaft, dem Klettern und Bergsteigen zu verbinden, eröffnet mir neue und großartige Möglichkeiten :-)